Das Hya-Hya-Mädchen und andere seltsam-erotische Geschichten by Hanns Heinz Ewers

Das Hya-Hya-Mädchen und andere seltsam-erotische Geschichten by Hanns Heinz Ewers

Autor:Hanns Heinz Ewers [Ewers, Hanns Heinz]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Erzählungen, Partiell
Herausgeber: Desch
veröffentlicht: 1968-12-31T23:00:00+00:00


Eileen Carter

Nun, denke ich, bin ich endlich fertig mit dieser Frau. Nie wird etwas sein zwischen ihr und mir, das weiß ich seit vielen Jahren nun. Nur: manchmal vergaß ich es, träumte herum, dachte: einmal wird sie dennoch kommen.

Nie wird sie kommen. Sie, Eileen Carter, aus Woonsocket, Rhode Island, Phil Carters einzige Tochter, die den ekelhaften Barett S. Rogers zum Manne nahm. Sich von ihm scheiden ließ, später Klaus Steckels aus Chikago heiratete mit all seinen Zuckermillionen. Eileen, die nach Steckels’ Tode nicht lange Witwe blieb, sie, die heute Lady Brougham heißt, Marchioness von Atwood. Nie wird sie zu mir kommen – und wenn die Hölle zufriert, Eileen wird nicht kommen.

*

Ich spielte Poker gestern nacht und verlor. Warum spielte ich? Seit manchen Jahren habe ich keine Karte angerührt. Warum bin ich überhaupt in Cannes? Cannes ist mir zuwider wie die ganze Riviera mitsamt ihrem Publikum. Und was das Pokern anbetrifft, so mache ich mir nicht mehr viel draus. Dennoch bin ich in Cannes, dennoch saß ich am Pokertisch gestern nacht.

Das Spiel langweilte mich, ich spielte unaufmerksam und verlor natürlich. Blieb am Tisch nur der Gesellschaft wegen, konnte nicht recht aufbrechen, weil einer fehlte. Dann kam der lange Brockdorff ins Spielzimmer, stellte sich hinter mich.

»Gib deine Karten!« sagte er nach einer Weile. »Du machst doch nur Unsinn heute – die Dame da bringt dir Pech!«

»Welche Dame?« fragte ich, suchte in meinen Karten.

»Da wirst du sie nicht finden!« lachte Brockdorff. »Schau hinüber in den Spiegel – die Dame dort, die dich anstarrt.«

Unser Tisch stand in der Ecke, ich saß mit dem Rücken zum Zimmer; um in den Spiegel zu sehn, mußte ich mich zurückbiegen. Nur ein Tisch im Saal war noch besetzt, da saßen englische Herrschaften beim Bridge. Zwei Herren und zwei Damen; ein weiteres Paar stand daneben. Während der Herr mit den Spielern plauderte, starrte die Dame ganz offensichtlich zu unserm Tisch herüber.

»Na, kennst du sie?« fragte Brockdorff.

»Ich weiß nicht«, zauderte ich. »Vielleicht –«

Aber die Karte zitterte in meiner Hand. Ich stand auf, gab meinen Platz an Brockdorff. Während ich mich verabschiedete, ging auch das Paar aus dem Spielsaal, die Dame mit einem letzten langen Blick, der ganz augenscheinlich mir galt. Ich schritt ihnen nach. Völlig war ich meiner Sache nicht sicher, ob ich gleich darauf gewettet hätte, daß es Eileen war. Die beiden gingen durch die Halle zur Kleiderabgabe; dort erreichte ich sie, konnte sie in nächster Nähe betrachten.

Sie trug ein Stilkleid – mauve mit silber. Rotblond die gelockten Haare und die großen Augen wie Amethyste so blau. Solch irische Augen konnte nur eine haben: Eileen Carter. Ihr Begleiter legte ihr den Chinchillamantel um die Schultern; da wandte sie sich, sah mich voll an.

Ich hob den Arm, ihr die Hand zu geben; meine Lippen formten ihren Namen. Aber ich sprach nichts, und die Rechte fiel wieder zurück. Sie stand vor mir, unbeweglich, hielt meinen Blick, Auge in Auge. Eine halbe Minute wohl, während der Herr Stock und Hut in Empfang nahm und die Kleiderfrau bezahlte. Dann wandte sie sich, nahm seinen Arm, schritt an mir vorbei.



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